Beiträge mit dem Tag ‘Dokumentation’

Berlinale 2018 – Kulinarisches, Gus van Sant und etwas Rätselhaftes

Es ist nun mittlerweile schon der dritte Berlinale Tag und immernoch keine Eis und Schnee in Sicht. Etwas Routine schleicht sich ein und doch gibt es weiterhin vieles Neues und Spannendes zu sehen. Begonnen hat der Tag mit dem Kulinarischen Kino, obwohl das Thema nicht ganz so kulinarisch war. Weiter ging es mit einer Vorstellung von Gus van Sant, zurück zur Dokumentation und schließlich mit einem rätselhaften Film aus Taiwan geendet.

The Green Lie | Die Grüne Lüge
R: Werner Boote
Österreich 2018

Unter dem Motto Kulinarisches Kino lief der Film Die Grüne Lüge von Werner Boote. Zusammen mit der Autorin Kathrin Hartmann machen sich die beiden auf die Suche nach der aktuellen Bedeutung von Greenwashing. Denn hinter dem ganzen Grün, was von Großunternehmen allzu gerne beworben wird, steht halt nicht die erwünschte Nachhaltigkeit. Und auch die Umwelt zieht dabei zu oft den Kürzeren. Trotz des ernsten Themas versuchen Werner und Kathrin, als dynamisches Duo, möglichst unbefangen den Tatsachen auf den Grund zu gehen. Zumindest versucht dies Werner, der von der Materie vorher nicht viel Ahnung hatte, ganz im Gegensatz zu Kathrin. Im weiteren Verlauf des Films wird immer klarer, wie unrecht die Unternehmen in Bezug auf ihr gutes Ökoimage haben und wie groß die grüne Lüge tatsächlich ist. Beindruckend und beängstigend. Oft mag ich den Kopf schütteln, nachdenklich macht der Film allemal. Obwohl mir zu dem Thema schon einiges bekannt war, bekomme ich am Ende starke Bauchschmerzen und ich stehe dem Thema bedeutend kritischer gegenüber. (7/10)

Kurze Unterbrechung der Filmschau durch einem Talk mit Regisseur, Author und Produzent Gus van Sant im HAU1. Das letzte Mal, als ich im Hebbel am Ufer war, muss 2010 gewesen sein, als Christoph Schlingensief dort zur Berlinale eine Performance veranstaltete. Auch heute ist das Haus bis auf den letzten Platz belegt. Der Talk war interessant, brachte mir den Menschen Gus van Sant etwas näher und ich habe mich daran erinnern müssen, dass ich noch nicht wirklich viel von ihm gesehen habe. Immerhin sollte ich die Tage noch seinen neuesten Film Don’t Worry, He Won’t Get Far on Foot anschauen.

Viaje a los Pueblos Fumigados | Reise in die vergifteten Dörfer
R: Fernando E. Solana
Argentinien 2017

https://www.youtube.com/watch?v=8lSCczM2jFU

Man hätte Solanas Film direkt im Anschluss an Die Grüne Lüge zeigen können, da beide irgendwie miteinander zu tun haben. Denn um möglichst “grün” produzieren zu können, müssen große Teile der nahrungsproduzierenden Länder eine umweltfeindlich Agrarpolitik betreiben, die mitunter auch vor Menschenleben nicht halt macht. Dies zeigt Solana ganz eindringlich mit vielen Dokumenten, Augenzeugenberichten und eigenen Erfahrungen. Fraglich ist, wie man dem entgegnen kann und er versucht Lösungen aufzuzeigen. Allerdings fiel es mir, nicht nur des Themas wegen, schwer, den Film zu schauen, sondern auch der Stil, die Kameraführung und der Schnitt ließen mich irgendwann nicht mehr aufmerksam genug dem Geschehen folgen. Dies ist Schade, denn der Film hat eine wichtige Botschaft, die es zu hören gilt. (6/10)

Xiao Mei
R: Maren Hwang
Taiwan 2018

Nach den ganzen Dokumentationen nun zurück zum klassischen Spielfilm. Obwohl man Xiao Mei jetzt nicht als so klassisch beschreiben kann. Die Geschichte kurz zusammengefasst, eine junge Frau ist verschwunden und neun Personen aus ihrem näheren Umfeld begeben sich auf die Suche nach ihr. Damit hat es sich aber auch schon mit der Einfachheit. Denn die Erzählstruktur ist etwas ungewöhnlich. Die neun Suchenden berichten, teils wie in einem Interview, von ihrer Suche nach der verschwundenen Frau und was sie dazu bewegt. Dabei entstehen Szenen, die wie eine Interviewsituation wirken, aber meist nicht danach aussehen. Und je weiter die Suche voranschreitet, desto irrealer scheint das Geschehene zu werden. Am Ende bleibt eine nicht befriedigende Suche und die Frage nach dem Verschwinden bleibt im wagen Nebel der Unkenntnis verborgen. Optisch war der Film sehr schön anzuschauen, bei der Handlung bin ich allerdings zum Ende fast ausgestiegen. (6/10)


Berlinale 2013: Alte Stars, aktuelle Themen und ein Fazit

Dark Blood

Es bricht der letzte Tag an, zumindest für mich. Zwei weitere Tagen folgen ja noch offiziell, ich werde aber hier und heute meinen kleinen Filmmarathon beenden. Den Beginn machte ein Film, der eigentlich schon 1993 gedreht wurde. Durch den frühen und überraschen Tod des Hauptdarstellers River Phoenix konnte Dark Blood vom Regisseur George Sluizer nicht fertig gestellt werden. Zunächst landete das Filmmaterial hinter verschlossenen Türen. Nun hat die Versicherung das Material wieder frei gegeben und George Sluizer versucht aus dem Vorhanden das Beste zu machen. Grundsätzlich ist ein guter Film entstanden. Allerdings merkt man schnell die vielen großen Lücken, die damals nicht mehr abgedreht werden konnten. So verliert Dark Blood so einiges an Fluss und entscheidende Szenen müssen durch einen Off-Text ersetzt werden. Mit diesen Szenen wäre aber wohl auch kein wirklich großartiger Film entstanden, aber sicherlich ein sehenswerter.

Viele Dokumentation stehen auf meinem Plan und für den Rest des Tages habe ich mir nochmal zwei ausgesucht. Der erste war Unter Menschen von Christian Rost und Claus Strigel. Es wird der Resozialisierungsversuch von Schimpansen, Versuchstiere in einem Labor, gezeigt, der mittlerweile schon über 10 Jahre andauert. Dabei werden allerhand Skandale aufgezeigt die während der Zeit der Experimente mit den Schimpansen stattfanden. Leider ist Unter Menschen dabei nicht mutig genug. Ich vermisse tiefergehende Fragen moralischer Natur, die das generelle Problem mit Tierversuchen beleuchten. Zudem bleiben die Verflechtung zwischen Pharmakonzernen, Regierungsvertretern und Tierschutzorganisationen zu nebulös. Dennoch ein erhellender mit durchaus positiven Tenor behafteter Dokumentarfilm, der aber auch durchaus energischer hätte sein können.

Der Schluss des heutigen Tages und somit meiner Berlinale machte Materia oscura von Massimo D’Anolfi und Martina Parenti. Die Inhaltsangabe klang sehr vielversprechend und auch das Thema um Waffentests auf der italienischen Insel Sardinien lotste mich in diesen Film. Ein sehr stiller Dokumentarfilm, der fast ohne Worte auskommt. Und die Bilder sprechen auch für sich. Trotz teilweise drastischer Aufnahmen schafft es Materia oscura nie so ganz zu überzeugen. Oft scheint der Film nur so dahin zu dümpeln. Es überwiegt mehr ein Fingerzeig als konkrete Fakten. So bleibt ein durchaus interessanter aber zu unkonkreter Dokumentarfilm.

Bleibt nun noch das Fazit der verbleibenden fünf Tage in Berlin. Bis auf Soderberghs Side Effects habe ich alles sehen könne, was ich mir vorgenommen hatte. Sicher habe ich auch vieles verpasst, aber es ist in der knappen Zeit auch einfach nicht alles zu schaffen. Das Wetter hatte jedenfalls für Berliner Verhältnisse gut mitgespielt, das Glatteis blieb dieses Jahr aus und auch das Thermometer ging nicht weit unter die null Grad Grenze. Schnee gab es nur am zweiten Tag und selbst die Sonne hat sich ein paar Mal gezeigt. So konnte ich häufiger mal die Luft draußen genießen und Abstand, wenn auch meist nur sehr kurz, zu den dunklen Kinosälen gewinnen.
Von den gezeigten Spielfilmen hat mir wohl The Best Offer zugesagt. Bei den Klassikern überzeugte Dial M for Murder von Hitchcock am meisten und Jafar Panahis Pardé sollte verdientermaßen ein Preis bekommen. Besonders hervor zu heben ist dann noch Upstream Color, der mal was ganz anderes war und die Berlinale so jedesmal wieder spannend macht. Mein persönliches Highlight war dann der Dokumentarfilm The Act of Killing. Dieser hat mich am meisten überrascht und lange Zeit danach noch zutiefst bewegt. Ein Film der wohl lange Zeit im Gedächtnis bleiben wird.
Jedenfalls hat sich der diesjähriger Besuch der Berlinale wieder gelohnt. Ein Wiedersehen ist also fast schon vorprogrammiert und wird vielleicht schon früher folgen als gedacht.


Berlinale 2013: Von Indien über Indonesien in eine verkehrte Welt

The Act of Killing

So langsam ist es eine Tradition geworden jeweils auch einen indischen Film zu schauen. Dieses Jahr habe ich mir dazu Kai Po Che von Abhishek Kapoor aus der Reihe Panorama auserkoren. Die Inhaltsangabe sprach vom neuen Bollywood. Vor zwei Jahren fand ich ja schon Road, Movie von Dev Benegal erfrischend anders und Kai Po Che tritt zumindest teilweise in diese Fußstapfen. Modern versucht der Film auf alle Fälle zu sein, allerdings wirken die Stilmittel dazu für westliche Verhältnisse arg abgegriffen und es gibt in dem Bereich zumindest nicht Neues zu sehen. Ansonsten bietet die Story viel Abwechslung und die 130 Minuten Laufzeit vergehen recht schnell. Störend ist zu Beginn der aufdringliche Kitsch, also doch noch das alte, klassische Bollywood. Aber wenn man sich erstmal drauf eingelassen hat kann Kai Po Che am Ende nochmal richtig auftrumpfen. Guter Film, solide Kost aber nicht herausragend.

Weiter geht es ganz im Zeichen der Panorama Reihe, erneut mit einer Dokumentation. Viel Positives habe ich schon im Vorfeld über The Act of Killing von Joshua Oppenheimer gelesen, aber dies muss ja nichts heißen. – hier allerdings schon. Von der ersten bis zur letzten Minute schaut man wie bei einem Unfall auf die Leinwand und trotz der entsetzlichen Bilder mag man nicht wegschauen. Es tut weh 120 Minuten über die traurige und schockierende jüngere Geschichte Indonesiens zu erfahren. Recht frei berichten Täter von dem Genozid in der Militärdiktatur nach 1965. Ganz nah ist Joshua Oppenheimer dabei an den Menschen und macht so die Geschichten noch fühlbarer und beängstigend realistisch. Am Ende verlässt man fassungslos den Kinosaal, ist aber gleichzeitig dankbar dafür, ein wenig die Augen geöffnet bekommen zu haben. Und eines macht The Act of Killing ganz eindeutig klar, die Zustände in Indonesien zu ändern wird ein langer, sehr langer Weg.

Nachdem ich mich vom letzten Film einigermaßen erholt hatte, ging es weiter mit dem neuen Film von Shane Carruth, Upstream Color. Recht unkonventionell erzählt Carruth eine verstörende Geschichte. Untermalt von nicht weniger verstörenden Bildern und einem unter die Haut gehenden Score. Upstream Color verlangt alle Sinne beim Zuschauer ab und verlässt sich größtenteils auf dessen Intuition und weniger auf verbale Kommunikation, um seine Geschichte zu erzählen. Dieser sehr ungewöhnliche Weg macht den Film zwar schwer konsumierbar ist aber dadurch auch etwas ganz Besonderes. Ich denke hier tut eine Zweitsichtung unbedingt Not.
Ich glaube, heute habe ich mein Highlight der diesjährigen Berlinale mit der Dokumentation The Act of Killing gesehen. Ganz starker Film von dem man in Zukunft sicher noch häufiger hören wird.


Berlinale 2013: Regime, Drogen, Liebe

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Heute musste ich mich schon fast quälen um aufzustehen. War die Nacht doch viel zu kurz um ausgeruht den Tag zu starten. Aber was soll’s, immerhin erwartete mich der Wettbewerbsbeitrag von Jafar Panahi und Kamoziya Partovi. Pardé – Closed Curtain ist eine sehr bewegende Studio über die Zustände im Iran, die Panahis Arbeit und damit auch sein Leben im Iran beeinträchtigen. Im Zwiegespräch mit sich selbst sieht man einen sehr persönlichen Film von einem Mann der gebrochen scheint aber immer wieder einen Ausweg findet. Mit den beschränkten Mitteln, die Panahi zur Verfügung stehen, schafft er es der Welt einen sehr emotionalen Film zu zeigen, Chapeau.

Die erste Dokumentation dieser Berlinale für mich und mit Narco Cultura geht es auch gleich richtig zur Sache. Seit Jahren tobt in Mexiko ein Drogenkrieg dessen Exzesse besonders stark in der Grenzstadt Juaréz zu spüren sind. Mit ziemlich schonungslosen Bildern zeigt Regisseur Shaul Schwarz die Arbeit der Kriminologen, die in ständiger Angst vor Racheakten der Drogenkartelle leben. Besonders pervers wird der Konflikt, wenn Bilder von in Amerika lebenden Musikern gezeigt werden, die in sogenannten Corridos die Ereignisse des Drogenkrieges schildern und gleichzeitig noch glorifizieren. Damit entsteht bei den jungen Menschen in den USA aber auch in Mexiko ein recht zweifelhaftes Bild von Idolen und Heldentum. Seine Schwächen hat Narco Cultura aber ganz klar bei der Verwendung der Bilder, die zu gewaltverherrlichend wirken. Zudem ist die Darstellung des Drogenkrieges etwas zu einseitig. Bis auf wenige Momente wird einzig die Sichtweise der Kriminologen und der Musiker gezeigt. Opfer, Täter und Behörden kommen viel zu wenig zu Wort. Damit verspielt Narco Cultura eine sehr gute Dokumentation zu werden ist aber gerade wegen des brisanten Themas dennoch sehenswert.

Nachdem ich auch nach einer guten Stunde Warten an der Abendkasse keine Karte mehr für Steven Soderberghs Side Effects ergattern konnte, muss der Film wohl auf seine Videoauswertung warten. Im Anschluss folgte dann der für heute letzte Film für mich, The Best Offer von Giuseppe Tornatore. Große Namen finden sich in den Credits. Neben Hauptdarsteller Geoffrey Rush ist Donald Sutherland zu sehen und den Score hat Altmeister Ennio Morricone beigesteuert. Damit konnte ansich nicht viel schief gehen. Und so ist The Best Offer ein sehr fein ausgearbeitetes Drama, das mit Witz und Charme zu unterhalten weiß. In schönen Bildern und mit exzellenter Musik nimmt der Film bis zum großen Finale stetig an Fahrt auf. Leider ist die Überraschung am Ende keine wirkliche, zu absehbar ist das Ganze. Zudem verliert The Best Offer zum Ende hin an Fluss, der den Film vorher sehr gut getragen hatte. Es bleibt ein sehenswerter Film mit einer schrägen Liebesgeschichte, der nicht zuletzt von der tollen Darstellung Geoffrey Rushs lebt.
Ein guter Berlinale Tag geht zuende. Anstrengend aber sehr abwechslungsreich. Jetzt bin ich mittendrin in der Berlinale und freue mich auf den morgigen Tag.


Berlinale 2011: Escuchando al Juez Garzón

Escuchando al Juez Garzón | Listening To The Judge
R: Isabel Coixet
Spanien 2011
Spanisch
Berlinale Special

Mit einem Jahr Verspätung schreibe ich dieses Review. Und die aktuellen Ereignisse haben die Bilder und Gedanken an dieses Interview wieder in mir aufflammen lassen. Letzte Woche wurde Baltasar Garzón ein elfjähriges Berufsverbot auferlegt. Überrascht hat mich das nach diesem Film nicht mehr.
Ein großer Verdienst von Escuchando al Juez Garzón ist zum Einen die Bekanntmachung des Richters. Ich hatte vorher nur sehr bruchstückhaft von dessen Tätigkeiten mitbekommen. In dem eineinhalbstündigen Interview erzählt er teils sehr detailliert von den vergangenen und aktuellen Untersuchungen gegen seine Person. Dabei wird schnell klar, dass Garzón für nicht wenige Menschen ein unliebsamer und äußerst unbequemer Zeitgenosse ist. Im weiteren Verlauf versucht Garzón Licht ins Dunkel zu bringen und zumindest einige Sachverhalte richtig zu stellen. Was letztlich Wahrheit ist und was nicht, vermag der Film nicht zu klären, soll er auch nicht. Vielmehr wird der übergroße Charakter von Baltasar Garzón deutlich und mit Respekt und Anerkennung kann man auf dessen Leistungen schauen und nur verwundert auf sein Durchhaltevermögen, angesichts der immensen Anschuldigen ihm gegenüber, blicken.


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