Beiträge mit dem Tag ‘Berlinale’
Berlinale 2011: A torinói ló
A torinói ló | The Turin Horse | Das Turiner Pferd
R: Béla Tarr
Ungarn, Frankreich, Deutschland, Schweiz, USA 2010
Ungarisch
D: János Derzsi, Erika Bók, Mihály Kormos
Script: L. Krasznahorkai, B. Tarr
Wettbewerb
Friedrich Nietzsche, ein Pferd, in Schwarzweiß gedreht und mit 146 Minuten ein nahezu dialogfreier Film. Dies klingt auf alle Fälle nach einer durchaus besonderen Erfahrung. Gezwängt in einen unbequemen Stuhl des Friedrichstadtpalastes beginnt der wohl letzte Film des ungarischen Regisseurs Béla Tarr mit einer gefühlt 30 minütigen Eröffnungsszene. Damit wird schonmal auf den Grundtenor des gesamten Films eingestimmt. Denn erzählerisch wird in den 2 ½ Stunden nicht viel geboten. Die Handlung ist durchaus übersichtlich was der Wirkung des Films aber überhaupt nicht abträglich ist.
Der Zuschauer wird mit dem langsamen Erlöschen des Lebenslichtes konfrontiert. In knapp einer Woche bricht das fragile Gebilde aus der lebenswichtigen Abhängigkeit zwischen dem Pferd und der Tochter mit ihrem Vater zusammen. Minutiös beschreibt Béla Tarr den täglichen Ablauf des Dreiergespanns. Und so wird schnell klar, das der routinierte Ablauf aus den Fugen gerät und damit das Unheil seinen Lauf nimmt. Mit filmischen Mitteln gelingt es Tarr auf beeindruckende Art und Weise die Unerträglichkeit auf das Publikum zu übertragen. Vielen Zuschauern wird es dann auch nach gut der Hälfte des Films zu viel und so mancher verlässt entnervt die Vorstellung. Am Ende erlischt das Licht und es wird dunkel. Ein erleichterndes Aufatmen schwebt durch den Saal und ein Großteil ist glaube ich froh, dass das Ganze ein Ende gefunden hat, wenn auch kein gutes.
Béla Tarr schafft mit dem Turiner Pferd ein äußerst intensives Film- und ganz im besonderen Kinoerlebnis. Denn nur dort kann der Film seine Wirkung entfalten. Unterstrichen wird das durch die eindringlichen Bilder, den dezenten aber wirkungsvollen Klangteppich und die authentische Darstellung von Vater und Tochter. Sicherlich ist Das Turiner Pferd ein streitbarer Film, aber gerade das macht auch den Reiz aus, und so ist Béla Tarrs letztes Werk in seiner Gesamtheit mehr als überzeugend.
Berlinale 2011: Jodaeiye Nader az Simin
Jodaeiye Nader az Simin | Nader And Simin, A Separation
R: Asghar Farhadi
Iran 2011
Farsi
D: Leila Hatami, Peyman Moadi, Shahab Hosseini, Sareh Bayat, Sarina Farhadi, Babak Karimi, Merila Zarei
Script: Asghar Farhadi
Wettbewerb
War der gestrige Tag auf der Berlinale eher nicht so vielversprechend, so sollte sich dies heute ändern. Den Anfang machte der aktuelle Film vom iranische Regisseur Asghar Farhadi. In den Medien ist der iranische Film, gerade wegen der Festnahme von Jafar Panahi, höchstpräsent. So war natürlich das Interesse, auch von meiner Seite aus, entsprechend hoch. Und ich sollte nicht enttäuscht werden.
Die Geschichte wirkt wie aus dem Alltag gegriffen und auch die Schauspieler unterstreichen genau dieses Gefühl. Mitten in ein Familiendrama geworfen ist man versucht Position zu beziehen. Doch dies scheint kaum möglich, ist denn jede dargestellte Positionen der einzelnen Protagonisten insich schlüssig und nachvollziehbar. Gefangen von den Fesseln der iranischen Gesellschaft und dessen Regeln scheint es schier unmöglich einen goldenen Weg zu finden und so mehren sich die Konflikte von Minute zu Minute. Am Ende bleibt eine Lösung offen aber Hoffnung gibt es, noch.
Jodaeiye Nader az Simin ist von Anfang bis Ende packend erzählt und spart nicht mit Kritik am iranischen System. Dabei holt Asghar Farhadi aber nicht den Holzhammer raus, sondern überlässt es dem Zuschauer selbst über die iranischen Verhältnisse zu urteilen. Neben dem ansonsten mehr als überzeugenden Film ist das der ausschlaggebende Punkt Jodaeiye Nader az Simin für mich persönlich einen ganz großen Stellenwert zu geben.
Berlinale 2011: Vampire
Vampire
R: Iwai Shunji
USA, Kanada 2011
Englisch
D: Kevin Zegers, Rachael Leigh Cook, Keisha Castle-Hughes, Adelaide Clemens, Kristin Kreuk
Panorama
Wohl eher ein Film außer der Reihe, zumindest auf der Berlinale. Erinnert zumindest das grobe Querlesen der Inhaltsangabe an leichte Fantasykost. Bei der Sichtung entpuppt es sich dann doch nicht als klassischer Vampirfilm, sondern eher als morbide Geschichte. Die Grundidee für den Film ist durchaus interessant und mit Rachael Leigh Cook, Amanda Plummer und Kristin Kreuk hat der Regisseur Iwai Shunji auch bekannte Hollywoodgesichter vor die Kamera bekommen.
Doch leider bleibt es dabei auch schon. Gerade die Darstellung des Simon Wade, gespielt von Kevin Zegers, wirkt zu großen Teilen langweilig und uninteressant. Auch kann Vampire dramaturgisch keinen Höhepunkt aufbauen. Besonders negativ ist hier das Schlussszene mit Kristin Kreuk hervor zu heben. Mir erschließt sich nicht der Sinn dieser Szene, außer die überzeugend spielende Krisitn Kreuk einfach in dem Film zeigen zu wollen. Aber stimmig fügt sich das ganze nicht in den Film ein.
Technisch schwankt Vampire von ok bis leihenhaft. Der Ton ist stellenweise einfach grausig abgemischt und die Qualität der Bilder liegt zu oft um Welten auseinander. So lässt es sich schlecht in die Welt des Simon Wade eintauchen, die durchaus ihre Reize bietet. Wieder wurde hier viel Potenzial liegen gelassen und ich würde zumindest die Geschichte von Vampire gern nochmal solide verfilmt sehen.
Berlinale 2011: The Devil’s Double
The Devil’s Double
R: Lee Tamahori
Belgien 2010
Englisch
D: Dominic Cooper, Ludivine Sagnier
Panorama Special
Dieser Film war schon im Vorfeld heiß diskutiert worden. Die Meinungen dazu gingen weit auseinander und so ging ich mit einiger Vorfreude in die Vorstellung. Der Regisseur Lee Tamahori ist in Hollywood kein Unbekannter, verfilmte er denn auch schon einen James Bond Streifen. Allerdings gilt er mehr oder weniger nur als jemand der für Notfälle einspringt und dies merkt man seinen Filmen auch an. Aber komm ich zurück zu seinem neuesten Werk.
Handwerklich ist The Devil’s Double gut gemacht. Überzeugende Schauspieler, ein authentisches Set, solide Musik und knackige Bilder. Mit viel Lärm geht es auch gleich im Vollgastempo in den Irak. Inwiefern man der auf den Autobiografien von dem echten Doppelgänger Latif Yahia basierenden Handlung glauben schenken darf, bleibt jedem selbst überlassen. Manches wirkt leicht überzeichnet und der Dramaturgie wegen angepasst. So wird es auch schwierig gerade die brutalen Szene aus Folter, Sex und Gewalt einzuschätzen. Ständig schwanke ich zwischen Entsetzen und Groteske. Hat dies zu Beginn noch seinen Reiz wird es mit Fortschreiten des Films immer ärgerlicher. Am Ende neige ich hin zur Gleichgültigkeit und warte nur noch auf das Ende.
Ein sehr positiver Aspekt ist allerdings die darstellerische Leistung von Dominic Cooper der unglaublich gut gleichzeitig die Rolle von Saddams Sohn und dessen Doppelgänger spielt. Obwohl sich im Film beide Personen immer ähnlicher werden, bleiben beide Charaktere dennoch deutlich voneinander getrennt erkennbar. So gut wie Dominic Cooper seine Sache macht, so deplatziert wirkt Ludivine Sagnier in The Devil’s Double. Dabei bin ich mir nicht sicher, ob es an Sagnier selbst oder am fehlenden Talent von Regisseur Tamahori liegt.
Letztlich bleibt ein Film, den ich nicht ernst nehmen kann und will. Zu uneindeutig ist dessen Aussage. Dennoch war der Blick ins Leben des Sohnes von Saddam Hussein äußerst interessant und verstörend zugleich. Einmal sollte man The Devil’s Double gesehen haben, eine weitere Sichtung ist allerdings nicht nötig.
Berlinale 2011: Coriolanus
Coriolanus
R: Ralph Fiennes
Großbritannien 2010
Englisch
D: Ralph Fiennes, Gerard Butler, Vanessa Redgrave, Brian Cox, James Nesbitt
Script: John Logan
Wettbewerb
Alle paar Jahre gibt es eine Shakespeare-Verfilmung. Diesmal versucht sich der Brite Ralph Fiennes an dem Stück Coriolanus. Der Schauplatz wird dabei vom 4. Jahrhundert in die Gegenwart verlegt. So zieht Coriolanus, gespielt von Ralph Fiennes, der auch gleichzeitig Regie führt, mit modernster Ausrüstung und Waffentechnik in den Krieg. Dementsprechend laut und actionlastig startet der Film dann auch. Kurz darauf offenbart sich aber schon die erste Schwäche des Films. Ralph Fiennes neigt gern und zu oft zum unschönen Overacting. Dies passt vielleicht in eine Shakespeare-Aufführung im Theater aber nicht in einen Kinofilm, der in der Gegenwart spielt. Im späteren Verlauf stößt mir das auch öfters übel auf und ich kann mich damit bis zum Ende des Films nicht anfreunden.
Was den Rest des Films betrifft, so gibt es nichts zu meckern. Die Bildgestaltung ist einwandfrei, Soundeffekte und Score sind stimmig und die Schauspielerauswahl ist mehr als gelungen. Als Bühnenstück oder als Historienfilm hätte mir Coriolanus sicherlich gefallen, aber so sehe ich den Versuch für gescheitert an, den historischen Stoff und die damit verbundenen Themen von Coriolanus in die Gegenwart zu transferieren und ins doch eher enge Korsett des Kinoformates zu quetschen.
Berlinale 2011: PINA
PINA
R: Wim Wenders
Deutschland, Frankreich 2010
Deutsch, Englisch, Französisch, andere
D: Ensemble Tanztheater Wuppertal Pina Bausch
Script: Wim Wenders
Wettbewerb
außer Konkurrenz
Bereits der zweite 3D-Film an dem heutigen Tag. Und erneut von einem der ganz großen deutschen Regisseure, Wim Wenders. Der Sitzplatz im Urania ist nicht ganz optimal, aber in Anbetracht der anscheinend riesigen Nachfrage nach Restkarten – draußen wurde sogar mit Transparenten nach Eintrittskarten gesucht – war ich dann doch ganz froh überhaupt eine Karte ergattert zu haben. Der stimmlich etwas angeschlagene Wim Wenders – hat wohl an zu vielen Interviews in den vergangenen Tagen teilgenommen – war kurz selbst zur Ankündigung seines aktuellsten Films auf der Bühne. Danach ging es auch direkt los.
Von Beginn an befindet sich der Betrachter inmitten der riesigen Tanzbühne, die dank der 3D-Technik dann auch um Einiges an Tiefe gewinnt. Aber hier taucht auch schon das erste Problem auf. In 3D wirkt alles wie im Modellbaumaßstab. Zwar zum Anfassen realistisch aber wirklich nah kommt man den Akteuren nicht. Da muss einfach noch weiter dran gefeilt werden. Die Tanzeinlagen wirken vor den unterschiedlichsten Kulissen in und um Wuppertal optisch ansprechend. Musikalisch werden einem verschiedenste Stile präsentiert. Einige gefallen hier besser als andere, aber dies ist ja Geschmackssache. Was ich wirklich bei Wim Wenders Film vermisst habe, war Pina Bausch selbst. Leider wurde der Film ja erst nach ihrem Tode gedreht. Doch gerade durch die vielen Interviews der Tänzer, in denen sie so positiv und begeisternd von Pina Bausch schwärmten, wurde meine Neugier erweckt. Als völliger Neuling auf dem Gebiet des Ausdruckstanzes wollte ich ein paar Worte von Pina selbst hören, doch bis auf einige alte Tanzaufnahmen aus dem Archiv blieb Pina Bausch dem Geschehen und vor allem mir fern. So wollte sich einfach keine tiefere Beziehung herstellen und ich konnte nur als Betrachter das teilweise durchaus beeindruckende Tanzen – besonders die Szene mit dem Wasserboden im Theater gefiel mir sehr – verfolgen. Zum Ende hin nutzte sich das Aneinanderreihen der Choreographien dann aber doch zu sehr ab und ich musste feststellen, dass ich kein wirklicher Freund des Ausdruckstanzes bin.
Berlinale 2011: Familiar Grounds
En terrains connus | Familiar Grounds
R: Stéphane Lafleur
Kanada 2011
Französisch
D: Francis La Haye, Fanny Mallette, Sylvain Marcel, Michel Daigle
Forum
Etwas, nein, viel ruhiger und in einem kleinen Rahmen geht es mit diesem Film aus Kanada weiter. Die Stimmung erinnert stark an Fargo. Auch die Story ist ähnlich schräg. So wird die Handlung bei Familiar Grounds durch die Ankündigung von drei Unfällen vorangetrieben. Gespannt wartet man nach der Titeleinblendung auf den kommenden Unfall. Nicht nur das, auch die Entwicklung der Handlung bleibt spannend. Alles wirkt sehr stimmig. Sowohl Kulisse, Kameraführung, Soundtrack, Geräuschkulisse und die Protagonisten selbst wirken wie aus einem Guss. Leider schlug mir meine Müdigkeit zum Ende hin ein Schnippchen. So sah ich leider nur noch die letzten Minuten des bis dahin fabelhaft atmosphärischen Films. Da muss definitiv nochmal eine Zweitsichtung her.